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Ein sportartübergreifendes Experiment der besonderen Art!

36. Symposium des Verbandes Deutscher Tischtennistrainer e.V.

Ein Experiment der besonderen Art wagte am ersten Juliwochenende der Verband Deutscher Tischtennistrainer e. V. (VDTT). Die Idee, eine rückschlagsportarten-übergreifende Trainerfortbildung anzubieten, war den Köpfen der beiden Vorsitzenden, Gert Zender (Halle) und Frank Fürste (Wernau), bereits vor einigen Jahren entsprungen. Aus den verschiedensten Gründen jedoch konnte das ambitionierte Unterfangen erst 2022 in die Tat umgesetzt werden. Nach einer Stippvisite 2021 an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken gastierte im laufenden Jahr das nunmehr 36. VDTT-Symposium wieder in seinem angestammten Quartier im Westerwald. Knapp 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich im idyllischen Brexbachtal versammelt, um in der Heimat des Tischtennis-Bundesligisten TTC Zugbrücke Grenzau den Lehr-Lerneinheiten bekannter Ballspiel-Experten beizuwohnen.

Den Auftakt machte am Freitagabend Dr. Philipp Born von der Deutschen Sporthochschule Köln. Der Fachmann in Sachen weißer Sport legte bei seinem Vortrag mit dem Titel „Videoanalyse des Vorhand-Topspins im Tennis“ den Akzent auf die methodisch-didaktische Komponente. Der Dozent referierte maßgeblich über Trainer-Feedback bzw. Fehlerkorrektur und den praxisnahen Einsatz von Video-Applikationen. Auf ein sichtliches Interesse unter den Zuhörerenden stieß insbesondere das „time-delay feedback“. Es handelt sich dabei um eine besondere Computerfunktion, mittels derer es möglich wird, sich eigene Schlagaktionen – aufgrund einer vorab und dauerhaft eingestellten Zeitverzögerung – jeweils einige Sekunden später selbst am Monitor anzuschauen. In der Sporthalle bzw. auf dem Tennisplatz oder Badmintonfeld scheint dieses Software-Tool im Rahmen eines Gruppentrainings einen lehrreichen Fließbetrieb ermöglichen zu können. Denkwürdig war zudem Borns Plädoyer, Spielerinnen und Spielern in puncto Fehlerkorrektur ausreichend Zeit zu geben für die gedankliche Eigenverarbeitung von Rückmeldungen. Eigenverantwortlichkeit einfordern, um nachhaltiges Lernen zu fördern, kann demnach auch heißen kann, als Trainer oder Trainerin bewusst sparsam mit Feedback umzugehen.

Der darauffolgende Tag wurde eröffnet durch einen Vortrag von Prof. Dr. Klaus Roth von der Ballschule Heidelberg. Am Ende einer unterhaltsamen Präsentation, die unter dem Titel stand „Gemeinsamkeiten in den Rückschlagspielen“, nahm die Zuhörerschaft eine überaus drängende Frage mit auf den Nachhauseweg. Sich stützend auf aktuelle Meta-Analysen stellte Roth infrage, ob die frühe Festlegung auf einen Hauptsport – in Verbindung mit einem Verzicht auf das Ausüben weiterer Sportarten – für ein junges Talent tatsächlich den besten Weg darstellt, um irgendwann Weltklasseleistungen vollbringen zu können. Der Emeritus der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg bezog in Grenzau freilich eine Gegenposition. Er vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die herkömmlichen Formen der Talentdiagnostik frühspezialisierte Nachwuchssportlerinnen und -sportler bevorzugten, welche dann aber – im Erwachsenenbereich – wohl kaum internationale Meisterschaftsmedaillen einheimsen würden. Im Nachgang wartete Roth mit einem Gegenentwurf auf. Er präsentierte ein Gesamtkonzept für das Kinder- bzw. Anfängertraining in Sportvereinen, welches auf diverse Basiskompetenzen abzielt. Diese Basiskompetenzen oder Spielbausteine können durch ein vielseitiges Üben und Trainieren erworben werden; dabei kommen sportartunspezifisch eine Reihe unterschiedlicher Ballarten und verschiedene Schlaggeräte zum Einsatz. 


Der Rest des Samstags stand in edukativer Hinsicht unter der Leitung von Dr. Manfred Muster und Gunter Straub. Die beiden Tischtennis-Buchautoren hatten es sich auf die Fahnen geschrieben, die Anwesenden in die Welt und Logik des Bilateralen Trainings einzuführen. Die Vorzüge eines Übens mit der nicht-dominanten Hand, um dadurch die starke Hand im Hinblick auf den Wettkampf noch leistungsfähiger zu machen, werden in Deutschland seit über 60 Jahren diskutiert. In die Trainingspraxis der Rückschlagsportarten umgesetzt wird die entsprechende Methode jedoch nur von sehr wenigen Protagonisten. Aufbauend auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass ein Lerntransfer zwischen Körpergliedern tatsächlich existiert, legten die beiden Referenten ihr Augenmerk auf einen fundierten Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis. In den drei Unterrichtseinheiten, die über den Tag verteilt waren, erhielten die Trainer und Trainerinnen nicht nur entsprechende Einblicke in den neurophysiologischen Wirkmechanismus sowie die empirische Befundlage auf dem Gebiet der Racket-Sportarten – gespickt war der Tag obendrein mit einer Fülle cleverer und kreativer Ideen für das Training im Verein und Stützpunkt. Garant für den Erfolg des Praxisteils war Manfred Muster. Der promovierte Sportwissenschaftler war ehemals in Sachen Tischtennis bayerischer Verbandstrainer.

Der dritte und letzte Tag schließlich stellte weit mehr dar als nur den Ausklang eines interessanten und geselligen Fortbildungswochenendes. Für den Morgen angekündigt war Tobias Wadenka, seines Zeichens Landes-Lehrtrainer im Bayerischen Badminton-Verband sowie Trainer am nationalen Nachwuchsstützpunkt bzw. Landesleistungszentrum Nürnberg und Referent Bildung beim Deutschen Badminton-Verband (DBV). Wadenka zeigte sich gut vorbereitet – er verstand es, seine tischtennisspielende Zuhörerschaft abzuholen, um in deren Reihen ein ums andere Mal Horizonterweiterungen zu bewirken. Das Thema des früheren deutschen Spitzenspielers, der immer noch in der 1. Bundesliga aktiv ist, lautete „Antizipation, Wahrnehmung und Blickstrategie im Badminton“. Seine theoretischen Ausführungen stützten sich unter anderem auf interessante Videoaufnahmen, die mittels „Eye Tracking“ gewonnen worden waren und die das Blickverhalten eines Spielers während eines Ballwechsels offenlegten. Spannend waren zudem die Ausführungen über den Aspekt der Ansatzlosigkeit von Schlagaktionen im Badminton. Wadenka richtete das Augenmerk der Anwesenden damit auf eine motorische Facette bzw. Option, welche im Hinblick auf den offenen Schlagabtausch während eines Ballwechsels im Tischtennis – ganz im Gegensatz zu den allseits bekannten spieltaktischen Täuschungshandlungen („Finten“) – bislang noch unzureichend thematisiert ist. Im Praxisteil der Lehr-Lerneinheit präsentierte der „DBV-Trainer des Jahres 2020 im Nachwuchsbereich“ Übungen zur Schulung der Wahrnehmung bzw. Antizipation, die sich auch auf das Training am Tischtennistisch adaptieren lassen.


Der Verband Deutscher Tischtennistrainer e. V. (VDTT) gehört zu den größten Trainerverbänden in Deutschland und besteht aus circa 1.300 Mitgliedern. Hier sind neben Bundes- und Landestrainern eine Vielzahl selbständig arbeitender Trainerinnen und Trainer sowie ehrenamtliche Vereinstrainerinnen und Vereinstrainer organisiert. Der 1985 gegründete Verband hat sich zum Ziel gesetzt, das Image der Trainerinnen und Trainer in der Öffentlichkeit zu fördern und den Mitgliedern Hilfen im Alltag bei der Trainingsgestaltung und Trainingsarbeit zu bieten.

Gunter Straub